Archiv | März 2011

Zwischen Ende und Anfang


Er sagt, was du schon weißt – aber du willst es nicht wahrhaben. Er weiß, was du denkst, aber du willst es nicht ausgesprochen hören. Ihr beide kennt dich – und doch wieder nicht. Er kennt dich auf eine Art besser, als du dich selbst, und doch weiß er nichts über dich. Niemand weiß das – nicht einmal du selbst. Hunderte Male kannst du fragen, „Wer bin ich“ und du findest keine Antwort.
Lachen, Weinen – alles das Gleiche. Man spürt den Unterschied nicht. Als stünde man hinter der Welt in einem Spiegel und mache es den anderen einfach nach, ohne selbst etwas zu fühlen. Sondern einfach nur, weil man das so macht.

Ich will das nicht mehr. Ich will leben. Fühlen. Glücklich sein. Enttäuscht sein über verlorene Spiele – mich freuen über Gewonnene. Mich wohlfühlen mit Freunden. Lachen in Gesprächen, weinen bei Filmen. Ich sehe nach Außen hin aus, wie jeder Mensch, aber ich fühle mich leer. Als wäre ich nur die Hülle – ein Körper, geliehen unter falschen Bedingungen. Vielleicht ein Versehen? Ein Irrtum? Vielleicht sollte jemand ganz anderes an meiner Stelle hier sein. Vielleicht bin ich gar nicht echt. Ich fühle mich nicht echt. Ich fühle mich wie eine Lüge. Und jeden, dem ich etwas bedeute, den belüge ich, weil es mich gar nicht gibt. Ich hasse es.

Wieder von vorn…


Mit dem ersten bewussten Gedanken des Erwachens schleicht sich die Vorahnung ins Gewissen und mit dem ersten unsicheren Blick durch die müden Schlitze, die noch Augen werden wollen, wächst die Befürchtung. Die Uhrzeit auf dem Handy, das unter dem Kopfkissen vergraben liegt, bringt die Bestätigung: Alle Arbeit der letzten Wochen war umsonst. 10:34. Seit 2,5 Stunden läuft der Termin. Verzweiflung macht sich breit, dann Erkenntnis, dass dieser Tag das vorerste Finale des voranschreitenden Scheiterns der letzten Tage ist. Ich drehe mich um und schlafe weiter.

Ich träume. Vom Krankenhaus. Eine Ärztin oder Schwester, die mich fragt, ob ich die Schmerzmittel für meinen Rücken die vollen 3 Wochen genommen habe. Ich sage, dass ich sie nach einer Woche abgesetzt habe und die Ibuprofen ja auch schon alle waren. Sie nennt mir ein Medikament, was ich wohl hätte bekommen müssen, was ich verneine und fragt mich, was ich noch bekommen habe.“Ortoton“. „Ah ja, Ortoton greift auch relativ häufig die Netzhaut an.“ – Die Netzhaut? Ich wache auf. Wundere mich, wie immer, über diese unsinnigen Auswüchse meines Unterbewusstseins und schäle mich unter der Bettdecke vor.

-12.00. Die letzen Tage und Wochen war er ruhig. Wenn ich meine Aufgaben gemacht habe, war alles in Ordnung. Heute wird er wohl maulen. –

Der Termin ist mir scheiß egal. Es geht um`s Prinzip: Du hast verschlafen, du hast es verkackt! Du hast jetzt wahrscheinlich ne Menge Ärger an der Backe. Mit dem Gefühl, dass ich bereits weiß, was mich an diesem Tag außerdem noch in meinem Posteingang erwartet, setze ich mich an den Laptop und lese mit Gefasstheit die Nachricht. „Eigentlich wollte ich mich wegen dem Termin für unser Gespräch an Sie wenden, jedoch ist die angebotene Stelle nicht mehr vakant ausgeschrieben.“ Ich google ‚vakant‘, fühle mich dumm. „Fick dich. Wo ist sie denn bitte hin, die Stelle, hm?“.

– Packe meine Wäsche und gehe ins Bad. Als ich aus dem Wohnzimmer gehe, höre ich das gehässige Zischen. – Gut, also nur Kaffee, nichts zu Essen. –

Ich würde jetzt wirklich gern weinen. Aber das wäre übertrieben. – Für die Tablette bist du wieder zu spät aufgestanden. Musst du jetzt ohne auskommen.
Es ist nur ein Job. Vielleicht wäre er gar nicht sooo toll gewesen. – Hab ich am Telefon nicht enthusiastisch genug gewirkt? Kam ich nicht qualifiziert genug rüber? Immerhin war ich nebenbei mit dem Hund beschäftigt, der dabei war, die Wiese aufzufressen. Vielleicht war ich nicht perfekt vorbereitet…
Ich stehe wieder am Anfang. Habe nichts mehr in Aussicht. Da ist jetzt nichts mehr, woran ich mich festhalten kann. Alle Chancen vertan. Und vorallem – kein Geld. Komme nicht hier raus. – Lächerlich – nicht mal Schokolade kann ich kaufen – Werde wohl einfach in dieser Stadt verrotten.

Ich füll` den Zettel aus. „A uslösende Situation – Beschreiben Sie ein Erlebnis der letzten Woche, welches zu einem negativen Gefühl führte. B ewertender Gedanke – Was ging Ihnen dabei durch den Kopf? C Konsequenz (ist wohl wieder so eine Methode aus Amerika, bei der hier C onsequence gestanden hätte) – Welches Gefühl haben Sie in dem Moment erlebt? Wie stark war das Gefühl? (von 1-ganz schwach bis 10-ganz stark)“ Hm… ‚Enttäuschung (10), Wut (6), Verzweiflung (5), Traurigkeit (10), Hoffnungslosigkeit (10).
Die nächste Situation schreibe ich auf die Rückseite. Die danach auf ein extra Blatt.

Ich muss noch die Nachweise für die Fahrtkosten wegschicken. Viel zu kompliziert gerade.
Das Institut sollte ich anrufen und nach einem neuen Termin fragen. … „Ach, Frau B. (grins) – Ja, die Kollegin heut morgen war auch durchaus etwas, nun, ungehalten. Es ist uns jetzt auch leider nicht möglich Ihnen einen neuen Termin zu vergeben. Also Sie sind nun praktisch aus unserem Programm ausgeschieden.“ „Ah, ok, gut, danke, da weiß ich bescheid.“ – Wut (10).

„Hallo Süße – wann hast du denn nun genau dein Vorstellungsgespräch und kommst her? Ich freu mich ja schon sooooo!“

Fahrschule – letzte Theoriestunde. Im Unterricht merke ich, dass ich schon wieder alles vergessen habe. Ab jetzt kann ich mich nach abgeschlossenem Unterricht jederzeit zur Prüfung anmelden.

Ich bin 22 Jahre alt. Ich habe Abitur mit 18 Jahren gemacht, habe nicht studiert und war noch nie in einem festen Arbeitsverhältnis. Ich bin 22 Jahre…

„Die andere Frau“


…Und manchmal spricht auch mir jemand aus der Seele.

Dieser Artikel erzählt meine Geschichte – mit anderen Menschen, anderen Umständen, anderen Erlebnissen – aber den gleichen Gefühlen. Ich könnte die Geschehnisse auf mein Leben umschreiben – aber der Inhalt würde doch der Gleiche bleiben. Die Sehnsucht zwischen den Zeilen hätte denselben Klang und die Hoffnungslosigkeit würde weder wachsen noch schrumpfen.

http://www.attention-whoring.de/2010/die-andere-frau/